Die Siedlung im Zweiten Weltkrieg

Der zweite Weltkrieg bedeutete auch für die Siedlung eine einschneidene Zäsur. Zu Kriegsbeginn waren noch längst nicht alle Häuser bezugsfertig und mußten in mühevoller Eigenarbeit provisorisch zu Ende gebaut werden. "Wir waren gerade eingezogen, da kam der Krieg", erinnert sich eine betagte Siedlerfrau vom Ginsterweg. Die noch nicht bebauten Grundstücke (späterer 2. Bauabschnitt) wurden von den neuen Siedlern zum Gemüseanbau hinzugepachtet.

Viele junge Familienväter, sofern nicht in kriegswichtigen Berufen beschäftigt, bekamen schon in den ersten Kriegsmonaten ihre Einberufung, und viele von ihnen kehrten nicht wieder zurück. Die Angst vor dem Briefträger, der den schwarzen Feldpostbrief überbrachte, ging unter den Siedlerfrauen um. Diese hatten nun die volle Last von Familienversorgung, Haus - und Landarbeit zu tragen, von Kriegsmängeln, feindlichen Luftangriffen, materieller Not.

Vermutlich wegen der in unserer Siedlung stationierten Flak - und Scheinwerferstellungen kam es am Abend des 21. Oktobers 1941 zu einem folgenschweren Luftangriff. Der Abwurf einer englischen Luftmine im Bereich Dobbheide gegenüber dem Haus von früher Luise Büscher kostete zehn Menschen das Leben. Drei Häuser wurden total zerstört, im Umkreis von 800m Häuser beschädigt und Dächer abgedeckt.

Als Schutz gegen Luftangriffe dienten den Siedlerfamilien die Kellerräume, die von einigen abkommandierten Marinesoldaten mit Kanthölzern verstärkt und so in "persönliche Luftschutzräume" umfunktioniert worden waren. Es kam jedoch vor, dass bei plötzlichem Fliegeralarm sich Siedler in flachen Erdmulden im Garten verkrochen, während in 200 Meter Entfernung die 8,8 cm-Flak Granaten in den Himmel spuckte.

Einige Siedler wurden neben ihrer täglichen Arbeit auf der Werft zusätzlich als Flakhelfer eingesetzt. Für Aufräum- und Gartenarbeiten auf ihrer Siedlerstelle wiederum konnten sie gegen Beköstigung tageweise Fremdarbeiter aus dem sogenannten "Russenlager" der Vulkan-Werft anfordern. Ein Siedler staunt heute noch über die Unmengen von Bratkartoffeln, die damals ein französischer Kriegsgefangener verdrückt hatte.

Nach Kriegsende waren zahlreiche Häuser mit eingewiesenen Flüchtlingen und ausgebombten Verwandten überbelegt.

Die im Bereich der Apoldaer Straße und dem jetzigen Schulhof in den Erdwällen aufgestellten Flakgeschütze waren von der Wehrmacht funktionsunfähig gemacht worden und wurden nun von den Kindern der Siedlung als Spielgerät übernommen.

Ihr Spiel endete mit einer Tragödie im Juni 1945, als Kinder versucht hatten, die herumliegende 3,7 cm-Flakmunition zu demontieren. Die ausgelöste Explosion tötete zwei Brüder im Alter von 12 und 14 Jahren und verletzte einen weiteren Jungen schwer.